Wadenmuskelverkürzung Achillessehnenschmerzen und Schmerzen am Fersenballen
Eine 52-jährige eigenständige Pflegefachfrau beklagt seit nunmehr 4 Monaten eine Schmerzverstärkung im Bereich ihrer linken Achillessehne, seit wenigen Wochen nun auch beginnend über einen Fusssohlenschmerz im Bereich der Ferse. Sie ist zusätzlich zu ihrem Beruf sportlich aktiv tätig. Seit bereits ca. 20 Jahren begleiten sie wiederholt Schmerzen oder Beschwerden im Bereich der Achillessehne, manchmal mehr einseitig, gelegentlich auch die Seite wechselnd. Manchmal käme es auch zu Beschwerden – Kribbeln – im Vorfussbereich an der Fusssohle.
Beim Wechsel der Sportart mit vermehrten Laufeinheiten gab es schon vor 5 Jahren eine deutliche Schmerzverstärkung. Trotz Umsetzung von Empfehlungen ihrer behandelnden Ärzte und Freunde, Fersenkeile in den Schuhen zu tragen, Entzündungshemmer einzunehmen oder aufzutragen, Stretching vor und nach dem Sport durchzuführen, gab es keine zufriedenstellende Linderung.
Beim genauen Befragen, wie sie die Dehnübungen durchführte, berichtet sie, dass sie dies sporadisch ein bis drei Mal pro Woche und wohl mit sehr viel Dynamik (Wechsel der Körperposition nach wenigen Sekunden) machen würde. Die Schmerzmittel (Entzündungshemmer) habe sie bei Bedarf eingesetzt – ca. einmal im Monat bis zweimal pro Woche. Im letzten Jahr habe sie eine Wohnung bezogen, die am Boden komplett gefliest sei. Sie macht sich Sorgen, ob sie demnächst ausser in ihrem Sport nun auch zunehmend Einschränkungen im Berufsleben erfahren muss, ob ihre Existenz gefährdet ist.
Bei der Untersuchung stellt sich am linken Fuss eine schmerzhafte Verhärtung und Verdickung der linken Achillessehne dar – ca. 2,5 cm von der Ferse entfernt.
Am Anfang wäre nur die Umgebung etwas geschwollen gewesen, dies sei wechselnd stark ausgeprägt gewesen. Nun aber gehe diese Sehnenverdickung nicht mehr zurück. An der Fusssohle fällt noch beim Abtasten eine schmerzhafte Verspannung auf, des Weiteren kann der Fuss im entspannten Zustand nur schwer in die Normalposition gebracht werden.
Am rechten Fuss ist eine Schwellung in der Nähe des Fersenballens auf der Innenseite zu sehen, beim Abtasten ist ein starker Druckschmerz an der Ferse im Bereich der Fusssohle auslösbar, die Haut unter dem Zehenballen ist etwas vermehrt mit Hornhaut bestückt und verbreitert, auch hier lässt sich der Fuss nur schwer in die Normalposition bewegen. Die Achillessehne ist hier unauffällig.
Im Bereich der Wadenmuskulatur lassen sich mehrere schmerzhafte Verquellungen/ Verhärtungen tasten. Es handelt sich um Beschwerden, die unter den Diagnosen Achillodynie links, beginnende Metatarsalgie rechts und Fasziiits plantaris rechts (Ansatztendinose der Plantaraponeurose oder auch «Fersensporn») mit eventuell beginnendem Tarsaltunnelsyndrom rechts zusammengefasst werden können, wobei die Ursache von allem die verkürzte und dauerhaft angespannte Wadenmuskulatur ist.
Zur Abklärung einer möglichen Gefahr des Reissens und damit der Frage, ob gegebenenfalls eine Operation für die linke Achillessehne notwendig sei, erfolgte die Anfertigung einer Magnetresonanztomographie (MRT, oder auch MRI – magnetic resonance imaging). Alternativ hierzu könnte auch eine Ultraschalluntersuchung ausreichen, da Ultraschall weiches Gewebe (alles, was keine Kalksalze beinhaltet, keine harten Oberflächen - Knochen oder Metall) durchdringt und das Gewebe in seiner Struktur und Wassergehalt darstellt. Dies reicht zur Abklärung von Strukturstörungen der Achillessehne aus.
Im MRI kann aber auch gleichzeitig noch gut eine mögliche Mitbeteiligung des Fersenbeins dargestellt werden und zur fraglichen Abgrenzung der Schmerzen an der Ferse (Knochen?, Schleimbeutel?, Sehne?, Beteiligung von Gelenken?) dienen. Die Anfertigung eines MRIs dient in erster Linie dazu, eine Operationsindikation (Hinweis, ob oder wie dringlich operiert werden sollte) leichter festzustellen. Sie ergänzt die Befragung.
Im MRI stellte sich nun bei unserer Pflegefachfrau die vermutete Achillodynie links dar, es befinden sich nahezu keinerlei Strukturstörungen in der Sehne – alle Fasern scheinen durchgängig und funktionstüchtig zu sein. Somit bestehen keine Bezirke mit totem Gewebe (Nekrose) oder grossen Flüssigkeitsansammlungen, die gegebenenfalls mal der Ort einer Zerreissung (Ruptur) der Sehne bei plötzlicher Überlastung sein könnte.
Auffällige Sehnenbezirke im MRI sind vor allem bei Verdickungen, die seit Jahren bis Jahrzehnten bestehen, mit zu beachten. Bei kurzfristigen Verläufen ist dies eher unwahrscheinlich. Somit gibt es keinen Grund für einen operativen Eingriff und wir setzten die konservative Behandlung fort. Diese besteht in erster Linie in der Beseitigung der Ursache der Beschwerden: Die Therapie der verkürzten Wadenmuskulatur und bezüglich der linken Achillessehne das intensive Training der Sehne an einer Treppenstufe. Der Patientin wurde ausführlich der Zusammenhang erläutert. Sie konnte diese Zusammenhänge sehr gut nachvollziehen und war/ist hochmotiviert, alle Empfehlungen umzusetzen.
In diesem Fall erfolgten Injektionen mit Procain 1% im Bereich der schmerzhaften Verspannungen in der Wade – dies unterstützt die Auflösung von so genannten Triggerpunkten. Auch Injektionen im Bereich der Fussbinnenmuskulatur wären möglich. Wir zeigten effektive Dehnübungen und Zeitabläufe hierfür, da die Muskulatur über drei Minuten braucht, um auf das passive Dehnen mit einer Entspannung und Verlängerung zu reagieren. Auch gaben wir Informationen darüber, wie langwierig es dauern kann, um trotz disziplinierten Umsetzen dieser Tipps zum Erfolg zu kommen. Auch versuchen wir, persönliche Faktoren erkennen zu können, die ggf. verändert oder abgestellt werden könnten.
Der/die Physiotherapeut/in kann im Rahmen einer Verordnung für manuelle Therapie diese Regionen ebenfalls dehnen und entspannen. Mit seinem/ihrem Wissen, Können und Erfahrung findet er/sie effektive Handgriffe und Zeitabläufe zur Dehnung und Entspannung, begleitet durch Gespräche bezüglich Tipps zur Umsetzung/Realisierung von eigenständigen Übungen zu Hause und für die Zukunft. Ausserdem wiesen wir daraufhin, den Boden der Wohnung anders zu gestalten, Teppiche aufzulegen oder auch Gummimatten.
Unsere Patientin war so hochmotiviert, dass sie ab sofort täglich auch ihre Fusssohlen selbst dehnte und langanhaltend mit ihren Fingern die einzelnen Muskelstränge verlängerte.
Dies tat ihr zwar in den ersten zwei Wochen recht weh, aber sie vertraute den Ratschlägen und erlebte ab der dritten Wochen Schritt für Schritt eine Linderung und war nach 5 Wochen der in erster Linie eigenständig durchgeführten Behandlung schmerzfrei.
Bei der letzten Vorstellung bei uns war zwar noch die Verhärtung der Achillessehne sicht- und tastbar, aber sie empfand keine Schmerzen mehr. Die Schwellung an der rechen Fusssohle ist sehr weit zurückgegangen, es war kein Druckschmerz mehr auslösbar. Die Wadenmuskelverkürzung war zwar schon deutlich reduziert, aber wir sahen noch weiterhin Potential für die weitere Dehnung.
Dies war ein aussergewöhnlich schneller Verlauf der «Heilung». Oft erleben wir jedoch viel längere Verläufe, teilweise bis zu 9 Monaten, bei Therapieunterbrechungen auch Jahre.
Wenn diese ersten Tipps und Empfehlungen unzureichend sind, gibt es auch weitere Möglichkeiten der Beeinflussung der Bindegewebsstrukturen: Optimierung von Schuheinlagen, Cortisoninjektionen an der Fusssohle, Stosswellentherapie, Behandlung mit Eigenblut (ACP), Röntgenreizbestrahlung, Strombehandlung beim Physiotherapeuten. In schwierigen Fällen muss dies ggf. auch im Rahmen einer komplexen Therapie und Betreuungsmassnahme zum Beispiel beim Rheumatologen oder Schmerztherapeuten erfolgen.