Rekonstruktion eines schweren Knorpelschadens an der Kniescheibe
Ein 55-jähriger hochaktiver Freizeitsportler stellte sich im Januar 2020 in unserer hüft- und kniechirurgischen Sprechstunde vor. Ein akutes Trauma wurde zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen. Der Patient beschreibt jedoch seit ca. zwanzig Monaten schlimmer werdende Knieschmerzen rechts hinter der Kniescheibe. Diagnose: schwergradiger retropatellarer Knorpelschaden. Erfahren Sie im folgenden Beispiel mehr zur weiteren Diagnostik, einer operativen Möglichkeit zur Knorpelrekonstruktion und wie es dem Patienten heute geht.
Knorpelschäden sind häufig Folge von Fehl- bzw. Überbelastungen der Gelenke. Hierbei kommt es teils zu einer vollschichtigen Abnutzung der Knorpeloberfläche mit folgendem Risiko einer frühzeitigen Arthrose. Zu der Risikogruppe zählen unter anderem sportlich aktive Patienten im High-Impact-Bereich. Auch unser Patient war zum Zeitpunkt der Vorstellung sehr aktiv im Velosport, Mountainbiken, Skitouren und Wandern. Durch wiederkehrende Mikrotraumata hat sich dabei über die Jahre ein grosser retropatellarer Knorpelschaden entwickelt. Aufgrund des Alters des Patienten sowie dem sportlichen Anspruch galt es einen Gelenkserhalt zu erzielen und einen prothetischen Ersatz zu vermeiden. Eine vielversprechende Methode zur Knorpelrekonstruktion ist die autologe Knorpelchipplastik.
Vorgeschichte und Diagnostik
Aufgrund des Knorpelschadens erfolgte bereits im Mai 2019 in einem externen Spital der Versuch einer gelenkserhaltenden Chirurgie im Sinne einer Kniearthroskopie mit retropatellarer Mikrofrakturierung im Bereich der Defektzone. Von dieser Methode verspricht man sich das Einwandern von Stammzellen in den Defektbereich mit der folgenden Bildung von Ersatzknorpel. Verhindert werden soll dadurch die übermässige Beanspruchung des gesunden Knorpels im Randbereich der Defektzone und somit eine Progression. Die externe Operation hat allerdings zu keiner relevanten Verbesserung der Symptome geführt. Nach der Operation erfolgte ein intensiver Muskelaufbau unter physiotherapeutischer Anleitung mit erneut deutlicher Verschlimmerung der vorderen Knieschmerzen. Auch folgende intraartikuläre Infiltrationen mittels Lokalanästhetikum und Cortison konnten die Symptomatik nicht verbessern. Bei der erstmaligen Vorstellung in unserer Sprechstunde präsentierte sich ein frei bewegliches Kniegelenk mit stabilen Kreuz- und Seitenbändern, sowie Patellaverschiebeschmerz und retropatellarer Krepitation. MR-tomographisch zeigte sich auch nach der bereits durchgeführten operativen Massnahme ein grosser retropatellarer Knorpelschaden bis Grad IV mit einem ausgedehnten Knochenmarködem an der Kniescheibe (Abb. 1). In der konventionell radiologischen Diagnostik zeigte sich eine zentral geführte Kniescheibe (Abb. 2) bei leicht valgischer Beinachse. Als nächster Schritt wurde durch uns die operative Knorpelchipplastik geplant.
Operation und postoperatives Prozedere
Die Operation erfolgte im Februar 2020 durch Prof. Dr. med. G. Salzmann, leitender Oberarzt der Kniechirurgie. Er führte zunächst eine arthroskopische Bilanzierung des Gelenkes durch mit zusätzlich sichtbarer Innenmeniskushinterhornläsion sowie dem bekannten retropatellaren Knorpelschaden von 4x2cm (Abb. 3). Weiterhin zeigte sich in der dynamischen Untersuchung eine minimal lateralisierte patellofemorale Artikulation. Es erfolgte die arthroskopische Meniskusglättung sowie die offene Knorpelchipplastik an der Patellarückfläche mit Patellazentrierung im Sinne eines lateralen Releases. Die Knorpelchips fixierte Dr. Salzmann mittels Fibrinkleber und einer Chondro-Gide Membran (Abb. 4). In der Nachbehandlung wurde eine Teilbelastung von 15kg für gesamthaft sechs Wochen verordnet mit stufenweiser Bewegungslimitation bis 30° Flexion für Woche eins und zwei, bis 60° Flexion für Woche drei und vier, sowie bis 90° Flexion in Woche fünf und sechs. Weiterhin erhielt der Patient für die ambulante Rehabilitation eine CPM-Motorbewegungsschiene für jeweils drei Stunden pro Tag zusätzlich zu einem ambulanten physiotherapeutischen Training über drei Monate.
Postoperativer Verlauf und Rehabilitation
Der initiale postoperative Verlauf zeigte sich erfreulich. Der Patient war bereits vier Monate nach der Operation mit dem Ergebnis zufrieden, es zeigten sich allerdings noch leichte Restbeschwerden im Bereich der Kniescheibe. Mit intensivem Muskelaufbau konnten derartige Beschwerden bis zur Sechs-Monatskontrolle behoben werden, sodass sich der Patient hier äusserst zufrieden und schmerzfrei zeigte. Er konnte bereits wieder seine Freizeitsportarten wie Velofahren, Skitouren, Mountainbiken und Wandern praktizieren (Abb. 6).
Ein kleiner Rückschlag war knapp zehn Monate postoperativ zu verzeichnen. Bedingt durch eine Überlastung des frischen Regeneratknorpels kam es zu neu auftretenden Schmerzen. Ein erneut durchgeführtes MRI zeigte eine leichte Hypertrophie des Regeneratknorpels. Eine folgende Infiltration mit 3ml Ropivacain und Hyaluronsäure brachte keine adäquate Besserung der Symptome, sodass im Februar 2021 (ein Jahr postoperativ) eine erneute Kniearthroskopie mit retropatellarer Knorpelglättung erfolgte. Anschliessend zeigte sich intraoperativ ein gut erhaltenes Knorpelregenerat, gut eingebettet in die Umgebung aus gesundem Knorpel. Nach einer frühfunktionellen Nachbehandlung, weiterhin mit intensivem Muskelaufbau, war der Patient im Verlauf sehr zufrieden. Langfristig waren fast alle vorherigen sportlichen Aktivitäten wieder möglich. Der Patient muss sich allerdings im Umfang und in der Dauer der Aktivitäten einschränken. Das Gelenk konnte erhalten und ein prothetischer Ersatz mittelfristig vermieden werden.